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3.6 Verwaltungsreform: Gläserne Verwaltung statt gläserner Bürger?

Mit Beschlüssen von August 1993 und Mai 1994 hat der Senat die Verwaltungsreform als Projekt "BERLIN Unternehmen Verwaltung" auf den Weg gebracht und ihr gleichzeitig eine hohe politische Priorität beigemessen. Die Berliner Verwaltung soll von einer bürokratischen Organisation zu einem modernen Anbieter von Dienstleistungen werden. Die rechtlichen Voraussetzungen wurden durch die Änderung der Verfassung von Berlin (Verkleinerung des Senats und der Bezirksämter) und durch die Verabschiedung des Verwaltungsreformgesetzes im Juni 1994 [33] geschaffen. Das Verwaltungshandeln wurde in einem Katalog von "Dienstleistungsprodukten" erfaßt, der seinerseits Grundlage für die Einführung der Kostenrechnung anstelle der herkömmlichen Kameralistik sein soll. Mit Hilfe der Kostenrechnung wird der "gläserne Haushalt" angestrebt [34]. Auch das Bild der "gläsernen Verwaltung" wird als Zielvorstellung genannt, die vor allem durch die Veröffentlichung jährlicher Geschäftsberichte der Dienstleistungsbereiche und Serviceeinheiten verwirklicht werden soll. Dagegen greift das Projekt "Unternehmen Verwaltung" nicht die von uns seinerzeit begrüßten und schon sehr weit gediehenen Vorbereitungen für ein Informationsfreiheitsgesetz auf, das zu einer noch größeren Transparenz des Verwaltungshandelns führen würde.

Angesichts knapper werdender öffentlicher Kassen und der möglicherweise bevorstehenden Fusion mit Brandenburg ist das Grundkonzept der Verwaltungsreform sicherlich zu begrüßen. Aus datenschutzrechtlicher Sicht muß aber klar sein, daß der Bürger, wenn er dem neuen "Unternehmen Verwaltung" gegenübertritt, in seiner Rechtsstellung nicht schlechter gestellt sein darf als bisher. Auch die reformierte Berliner Verwaltung setzt sich weiterhin aus öffentlichen Stellen zusammen. Sie kann sich den sich daraus ergebenden rechtlichen Bindungen nicht dadurch entziehen, daß sie ihr Handeln stärker nach betriebswirtschaftlichen Kriterien organisiert. Auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Bürgers darf durch die neue Organisations- und Handlungsform der Verwaltung nicht beeinträchtigt werden. Was dies im Zusammenhang mit einem wichtigen Projekt der Verwaltungsreform, dem Modellbezirksamt, bedeutet, haben wir im letzten Jahresbericht erläutert [35].

Aber auch die Rechtsstellung der Mitarbeiter im "Unternehmen Verwaltung" darf durch die Verwaltungsreform und den mit ihr verbundenen neuen Personalführungsstil nicht beeinträchtigt werden. Mit Problemen der Personaldatenverarbeitung vor dem Hintergrund der Verwaltungsreform hatten wir uns im vergangenen Jahr mehrfach auseinanderzusetzen.

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Erhebung einer Zeit- und Mengenstatistik

Bei der Zeit- und Mengenstatistik handelt es sich um ein Instrument zur Datenerhebung für die Kosten- und Leistungsrechnung. Ziel der Zeitstatistik ist es, die Personalkosten den "Produkten" einer Kostenstelle unter Zugrundelegung von Durchschnittswerten zuzuordnen. Zweck der Mengenstatistik ist es, die Anzahl der erstellten Produkte zu erfassen. Über die Produktmengen und die durchschnittlichen Personalkosten werden die Produktstückkosten einer Kostenstelle ermittelt.

Laut Dienstvereinbarung zwischen der Senatsverwaltung für Inneres und dem Hauptpersonalrat soll für diese Erhebung der Zeitstatistik kein festes Verfahren vorgeschrieben werden. Entscheidend sei vielmehr, daß eine realitätsnahe Aufteilung der Stellen, z. B. des Amtes, einer Abteilung oder des Bürgermeisterbereiches, auf die Produkte geliefert wird. Die Leitung der Kostenstelle soll dabei entscheiden, ob eine Schätzung der Stellenverteilung auf Produkte durch die Leitung der Kostenstelle,eine repräsentative Zeitaufschreibung durch einige Beschäftigte der Kostenstelle oder eine separate Zeitaufschreibung durch alle Beschäftigten einer Kostenstelle durchgeführt werden soll, um verläßliche Daten für die Kostenrechnung zu ermitteln.

In der Dienstvereinbarung wurde ferner festgelegt, daß die Erfassung von Zeiten und Mengen getrennt voneinander und anonym erfolgen soll, um sicherzustellen, daß mit diesen Daten keine individuellen Leistungs- und Verhaltenskontrollen der Beschäftigten erfolgen können und keine Stellenbewertung damit verbunden ist.

Die Ausfüllanleitung der Zeitstatistik für die Beschäftigten (Anlage zur Dienstvereinbarung) sieht dabei die Eingabe der Kostenstelle, der Besoldungs-/Vergütungs-/Lohngruppesowie des Stellenumfangs (Stammdaten) vor.

Wir haben den Bezirksverwaltungen vor Erhebung dieser Statistiken mitgeteilt, daß in kleineren Ämtern, wie z. B. dem Rechtsamt, eine separate Zeitaufschreibung durch alle Beschäftigten der Kostenstelle ausscheide, da sie wegen einer möglichen bzw. nicht auszuschließenden Deanonymisierbarkeit gegen die Dienstvereinbarung verstoßen würde. Für kleinere Verwaltungseinheiten, insbesondere mit unterschiedlichen Gehaltsgruppen, kommt daher nur die erste Alternative in Betracht, die eine Schätzung der Stellenverteilung auf Produkte durch die Leitung der Kostenstelle vorsieht. Sollte auch diese aus Praktibilitätsgründen ausscheiden, müßte die Rücksendung des Meldebelegs nicht über den Vorgesetzten, sondern direkt an die EDV-/Geschäftsstelle Berliner Verwaltungsreform des jeweiligen Bezirksamts erfolgen.

Assessment Center

Ebenfalls im Rahmen des Verwaltungsreformprozesses befaßt sich derzeit eine Arbeitsgruppe - bestehend aus Mitarbeitern aus zwei Bezirken, des Hauptpersonalrats, der ÖTV sowie des Projektbüros Price Waterhouse bei der Senatsverwaltung für Inneres - mit der Entwicklung eines Assessment Centers (Beurteilungszentrum). Hierunter wird ein systematisches Verfahren zur Personalauswahl und -entwicklung verstanden. Dabei beurteilen mehrere Beobachter gleichzeitig mehrere Bewerber um eine konkret ausgeschriebene Stelle.

Das Assessment Center führt eine Kombination verschiedener Übungen durch, die zukünftige Aufgaben der zu besetzenden Stellen simulieren. Das Verfahren endet mit einer gemeinsam zu treffenden Entscheidung, wer der beste Bewerber ist. Dabei ist beabsichtigt, daß die jeweilige Bezirksverwaltung durch gemeinsamen Beschluß bestimmen soll, daß das Votum des Beobachtergremiums grundsätzlich als eigene Entscheidung übernommen wird.

Zumindest in einer Übergangszeit ist geplant, daß im Beobachtergremium externe Beratungsfirmen mitarbeiten. Dies bedingt zwingend, daß Auskünfte aus der Personalakte der Bewerber diesen Dritten offenbart werden. Ein solches Verfahren verstößt gegen das Personalaktengeheimnis nach § 56 Landesbeamtengesetz (LBG).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts in den letzten zehn Jahren genießen Personalakten sowohl im dienstlichen als auch schutzwürdigen persönlich-privaten Interesse des Beschäftigten einen besonderen Schutz, der sich auch auf den Verkehr der Behörden untereinander erstreckt. Deshalb gebietet es die Fürsorgepflicht des Dienstherren, den Kreis der mit Personalakten befaßten Beschäftigten möglichst begrenzt zu halten und auch Teilakten, Auszüge oder einzelne Angaben nicht ohne zwingenden Grund - je nach dem Maße ihrer Schutzwürdigkeit - anderen Beschäftigten zur Kenntnis zu geben. Diese Auffassung hat sich sowohl im neuen Bundesbeamtengesetz als auch im Landesbeamtengesetz niedergeschlagen.

Nach § 56 Abs. 3 LBG dürfen danach Zugang zur Personalakte nur Beschäftigte der jeweiligen Dienstbehörde haben, die im Rahmen der Personalverwaltung mit der Bearbeitung der Personalangelegenheiten betraut sind, und nur soweit dies zu Zwecken der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft erforderlich ist. Insoweit ist die vorgesehene Einsichtnahme in Personalaktendaten von Mitarbeitern der Beratungsfirmen unzulässig und obendrein auch nicht erforderlich.

Wünscht der Dienstherr ein Beobachtergremium, das sich ausschließlich aus kompetenten und sachkundigen Mitgliedern zusammensetzt, so steht es ihm frei, seine eigenen mit der Personalauswahl befaßten Mitarbeiter vorab z. B. durch geeignete Beratungsfirmen entsprechend zu schulen.

Zwar dürfen nach § 56 d Abs. 2 LBG Auskünfte an Dritte mit Einwilligung des Beschäftigten erteilt werden, jedoch setzt die Selbstbestimmung des Betroffenen eine "Entscheidungsfreiheit" über die vorzunehmende Handlung voraus. Eine Einwilligung unter Zwang oder Täuschung widerspricht dem Selbstbestimmungsrecht. Davon geht auch die Europäische Datenschutzrichtlinie aus, nach der eine wirksame Einwilligung "ohne Zwang" und ohne jeden Zweifel freiwillig erteilt worden sein muß. (Art. 2h, 7a). Gerade im Bewerbungsverfahren hat der Bewerber jedoch keine tatsächliche Entscheidungsfreiheit. Vielmehr wird er, um das Ziel seiner Bemühungen nicht zu gefährden, in die Verarbeitung seiner Personalaktendaten durch Externe einwilligen.

Wir haben den Bezirken daher mitgeteilt, daß das oben ausgeführte Vorhaben gegen Datenschutzbestimmungen verstößt und daher unzulässig ist.

Teilprojekt Personalmanagement; Personalplanung

Im Rahmen eines neuen Führungs- und Steuerungssystems in der Berliner Verwaltung sind mehrere Teilprojekte gebildet worden, darunter das Teilprojekt "Personalmanagement". Ziel dieses Teilprojekts ist die Erarbeitung eines Personalplanungs-, Führungs- und Personalentwicklungskonzepts auf der Grundlage einer Bestands- und Bedarfsanalyse.

Die Unterarbeitsgruppe "Personalplanung" bei der Senatsverwaltung für Inneres beschäftigt sich mit den derzeitigen und zukünftigen notwendigen Möglichkeiten quantitativer und qualitativer Personalbedarfsplanung. Hierzu hat die Unterarbeitsgruppe ein Planungskonzept entwickelt, das im Hinblick auf seine Praktikabilität, Plausibilität und Generalisierbarkeit im Praxisbeispiel erprobt werden soll. Als Praxisbeispiel wurde unter anderem die Personalplanung im Amt für Kindertagesstätten in einem Bezirksamt ausgewählt.

Da für die weitere Arbeit eine konkrete Datengrundlage benötigt wurde, hatte die Arbeitsgruppe einen Fragebogen erarbeitet, der an alle in den Kindertagesstätten dieses Bezirks tätigen Dienstkräfte verteilt werden sollte. Die Betreuung und Auswertung vor Ort sollte dabei durch den dortigen Amtsleiter, der Mitglied der Arbeitsgruppe ist, erfolgen. Obwohl der Fragebogen ausdrücklich klarstellte, daß alle Angaben freiwillig sind, war ein Verstoß gegen das Recht der informationellen Selbstbestimmung der betroffenen Beschäftigten festzustellen.

Selbstbestimmung setzt "Entscheidungsfreiheit" über die vorzunehmenden oder zu unterlassenden Handlungen voraus. Der Betroffene muß, ohne einen Nachteil befürchten zu müssen, die Einwilligung auch verweigern können. Die Selbstbestimmung des Betroffenen ist daher durch entsprechende Vorkehrungen gegen Fremdbestimmung zu sichern.

Aus diesem Grund konnte eine auf Freiwilligkeit basierende Umfrage nicht so erfolgen, daß die ausgefüllten Fragebögen beim Amtsleiter abgegeben und dort auch aufbewahrt werden sollten. Gleichgültig, wie der Amtsleiter selbst zu der Befragung und der Teilnahme seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steht, entsteht eine Situation, in der die Betroffenen nicht mehr frei entscheiden können, ohne Nachteile befürchten zu müssen.

Wir haben der Senatsverwaltung für Inneres daher mitgeteilt, daß als Ort der Datenverarbeitung die Personalwirtschaftsstelle als künftige Serviceeinheit in Betracht kommt. Damit würde der gesetzlichen Vorgabe des § 56 Abs. 3 LBG Rechnung getragen werden, wonach Personalaktendaten lediglich Beschäftigten zugänglich zu machen sind, die im Rahmen der Personalverwaltung mit der Bearbeitung von Personalangelegenheiten betraut sind. Eine dezentrale Verarbeitung dieser empfindlichen Daten sollte in jedem Fall vermieden werden.

Inhaltlich wurde der Fragenkatalog mit unserer Mithilfe auf das erforderliche Maß reduziert, um eine sinnvolle Personalplanung durchführen zu können.

Modellbezirksamt

Im vergangenen Jahr haben wir ausführlich die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Bürgerbüro dargestellt [36]. In den wesentlichen Punkten bestand Einvernehmen darüber mit der Senatsverwaltung für Inneres [37].

Im Berichtsjahr wurde uns ein mit den Bezirken erarbeiteter Entwurf einer Dienstanweisung vorgelegt, der allerdings diesen Anforderungen nicht entsprach. Der Zweck einer Geschäftsanweisung besteht darin, den Beschäftigten unter Berücksichtigung der Rechtslage einen schriftlichen Leitfaden als Entscheidungshilfe für ihr Verhalten in bestimmten Situationen an die Hand zu geben. Dieses Ziel erreicht der vorgelegte Entwurf nur unzureichend. Wir haben die Defizite ausführlich dargelegt und erwartet, daß die Senatsverwaltung die Einwände mit uns erörtert. Stattdessen wurde uns mitgeteilt, daß unsere Schreiben an die Bezirksämter weitergeleitet worden seien und wir weiteren Schriftwechsel direkt führen mögen, weil das Projekt "Modellbezirksamt" mit dem Abschlußbericht an das Abgeordnetenhaus beendet sei.

Bis dahin bestand mit der Senatsverwaltung für Inneres Einvernehmen darüber, daß die Projektgruppe eine Mustergeschäftsanweisung entwirft, die von den Bezirken wegen möglicher Besonderheiten oder Abweichungen modifiziert oder angepaßt wird. Dabei sollte es nicht nur wegen der besonderen Bedeutung der Einrichtung von Bürgerbüros und der damit einhergehenden Lösungen datenschutzrechtlicher Fragen bleiben. Das Umsetzen des Unternehmens Berlin - wozu auch die Bürgerbüros zählen - und der Verwaltunsreform sind Ziele des Senates. Hierzu gehört auch die Schaffung einer Mustergeschäftsanweisung zum Datenschutz für Bürgerbüros.

Zuletzt geΣndert:
am 08.02.97

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